TTIP & Co.: Mehr Risiken als Chancen

„Die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA bringen mehr unkalkulierbare Risiken als Chancen“, da ist sich der Freie Wähler-Landtagsabgeordnete Benno Zierer sicher. Gefahren sieht er vor allem für die Landwirtschaft, aber auch für Verbraucher, zum Beispiel durch Gentechnik, Verwerfungen auf dem Lebensmittelmarkt oder eine Abkehr vom Vorsorgeprinzip in Zulassungsverfahren. Für die Freien Wähler steht deshalb fest: die Bürger in Bayern müssen nach ihrer Meinung zu den Freihandelsabkommen gefragt werden. CSU und Staatsregierung muss die Meinung der Bürger ernst nehmen, wenn im Bundestag oder im Bundesrat über die Abkommen abgestimmt wird. Deshalb sammeln die FW Unterschriften für eine bayernweite Volksbefragung – die CSU sperrt sich noch dagegen. Zur Unterschriftenaktion geht es hier.

Zölle sollen wegfallen, technische Standards angeglichen werden – Unternehmen sparen Produktionskosten, können mehr investieren und Jobs schaffen, Kunden profitieren von günstigeren Waren. In Theorie hört sich das gut an. Doch bei den geplanten Freihandelsabkommen geht es um viel mehr, als um Zölle und technische Standards. Es geht vor allem darum, unerwünschte Regulierungen im Sinne der Wirtschaft abzubauen. Und es geht darum, welchen Einfluss die Wirtschaft, vor allem global tätige Konzerne, auf das gesamte gesellschaftliche Leben gewinnen – zu Lasten demokratischer Strukturen.

Erklärtes Ziel der Freihandelsabkommen ist die Angleichung von Regulierungen zwischen den Partnern. Bei TTIP soll das durch einen Kooperationsrat erreicht werden. Wenn die USA ein neues Gesetz planen oder die EU-Kommission eine neue Verordnung, soll die andere Seite im Vorfeld informiert werden. Ganz eng eingebunden wären die Vertreter der großen Wirtschaftsverbände. Die werden natürlich versuchen, alles abzubiegen, was Konzerninteressen schaden könnte. Es ist zwar in allen Parlamenten üblich, dass sich Interessenverbände in den Gesetzgebungsprozess einschalten – aber diese Institution hätte eine ganz neue Qualität.

Mit TTIP sollen Handelshemmnisse abgebaut werden. Gemeint sind damit auch unterschiedliche Zulassungsverfahren für Produkte. Gerade in diesem Punkt sind die Unterschiede zwischen Europa und den USA beträchtlich. In Europa darf ein Produkt nicht auf den Markt, wenn Zweifel daran bestehen, dass es unschädlich für Mensch, Tier oder Natur ist. In den USA darf ein Produkt dagegen so lange verkauft werden, bis nicht erwiesen ist, dass es schädlich ist. Die Beweislast ist umgekehrt und Behörden, die beweisen wollen, dass eine Chemikalie oder ein Pflanzenschutzmittel schädlich ist, müssen es mit millionenschweren Forschungsabteilungen der Konzerne aufnehmen. In der EU gilt das Vorsorgeprinzip, in den USA das Nachsorgeprinzip. Ein Beispiel. In Europa sind fast 1400 chemische Substanzen für die Verwendung in Kosmetika verboten, in den USA sind es elf.

In den bekannten TTIP-Dokumenten und im CETA-Abkommen mit Kanada findet sich häufig die verklausulierte Formulierung, dass man sich bei Zulassungen um einen wissenschaftsbasierten Anlass bemühen will. Das bedeutet, dass das Vorsorgeprinzip ausgehebelt werden soll, das in Nordamerika als „unwissenschaftlich“ gilt.

Durch die Freihandelsabkommen könnten Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa vereinfach werden. (Foto: bluedesign/Fotolia)
Durch die Freihandelsabkommen könnten Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa vereinfacht werden. (Foto: bluedesign/Fotolia)

Besondere Gefahren birgt das im Bereich der Gentechnik. Die Abkommen könnten ein Einfallstor für die Zulassung von genveränderten Pflanzen im großen Stil sein.

Die Landwirtschaft in Deutschland und Bayern würde in einer transatlantischen Handelszone stark unter Druck geraten – in einer Zeit, in der niedrige Erzeugerpreise den Landwirten schwer zu schaffen machen.

Bei den CETA-Verhandlungen hat Kanada ausdrücklich darauf verzichtet, hormonbehandeltes Fleisch in die EU zu exportieren. Dafür ist die EU den Kanadiern bei den Zollquoten für Fleisch entgegen gekommen. Es ist nämlich so, dass grundsätzlich Zölle bestehen bleiben, wenn kanadisches Fleisch in die EU eingeführt wird – allerdings wurde eine Menge festgelegt, die zollfrei importiert werden darf. Das wären bei Rind- und Kalbfleisch im ersten Jahr gut 5000 Tonnen, nach sechs Jahren dann schon über 30000 Tonnen.

Mit diesen Mengen werden sich Fleischexporteure aus den USA nicht zufriedengeben. Es ist bekannt, dass bei den TTIP-Verhandlungen vor allem um die Zölle auf Fleisch hart gerungen wird. Die amerikanische Seite hat großes Interesse, dass der EU-Markt geöffnet wird. Erst kürzlich war zu lesen, dass die US-Fleischexporte 2015 zurückgegangen sind und dass die zuständige Exportorganisation darauf drängt, neue Märkte zu erschließen. In der zwölften TTIP-Runde soll die EU angeboten haben, die Zölle auf bestimmte Schweinefleischteile abzuschaffen. Wenn die Zölle beim Fleisch gesenkt würden oder es große zollfreie Kontingente gibt, wären die europäischen Produzenten – und vor allem die Deutschen – die großen Verlierer.

In Amerika wird um 20 bis 30 Prozent günstiger produziert. Den Markt bestimmen riesige Konzerne wie Tyson oder Garghill, die drei Mal so groß sind wie die größten europäischen Unternehmen.

Wenn die Produzenten in Europa durch günstiges Fleisch aus Übersee unter Druck geraten, dann wird der Gesetzgeber vor der Wahl stehen: Lasse ich den Industriezweig ausbluten oder mache ich ihn wieder wettbewerbsfähig, in dem ich Produktionsstandrads aufweiche, z.B. im Tierschutz, bei den Umweltauflagen, bei der Arbeitssicherheit oder bei den Qualitätsanforderungen an die Lebensmittel.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.